100 Jahre Spvgg Rommelshausen
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Personen des Vereinslebens 1980

Psychische und physische Regungen eines Marathonläufers

Das Klingeln des Weckers reißt mich aus den schönsten Träumen und mißmutig drehe ich mich noch einmal um. Plötzlich springe ich auf: nur einmal im Jahr klingelt der Wecker sonntags um 6.00 in der Früh, am Schurwaldmarathon. Nach einigen lockernden Übungen jogge ich in die Küche um mir mein ganz spezielles Marathonfrühstück zu mixen. Während des Essens kommen mir erste Zweifel an diesem wahnwitzigen Unternehmen, oder ist der unangenehme Druck im Magen etwa Fracksausen?

Eineinhalb Stunden später, nach einem letzten Traubenzuckerschock, schließe ich mich den anderen ca. 140 Läufern an, die ungeduldig auf den Count-down aus den Lautsprechern warten. Man begrüßt sich, gibt den anderen die neuesten Tips, präsentiert die neuesten Laufschuhe und erzählt, daß der Karl aus Hedelfingen, obwohl er Volksläufer ist, wieder einmal "malade" ist. Ich, der Bahnathlet, fühle mich bei dieser Gruppe etwas als Außenseiter, doch als meine beiden Mitstreiter, ebenso wie ich 17 Lenze alt, auf dem Plan erscheinen, fühle ich gleich wie Zuversicht in mir aufsteigt.

Ziemlich pünktlich, nach einem etwas mißglückten Count-down, geht es los auf die 42,196 km lange Strecke. Schon auf den anderthalb Runden im St. Rambert-Stadion zeigen sich die verschiedenen Ambitionen der Einzelnen. Die Läufer mit Siegchancen verlassen schon das 400m-lange Rund, als ich mich mit meinen Teamkollegen erst in der zweiten Runde befinden.
Schon an der ersten härteren Steigung, am Fellbacher Müllplatz, wird wie vorher verabredet, gegangen. Wir befinden uns schon ziemlich am Ende des Feldes, selbst die meisten der mitgelaufenen Frauen sind schon außer Sicht. Doch das Motto von uns Frischlingen ist: "locker anlaufen lassen", sind doch unsere Erwartungen nur zwischen 4 und 5 Stunden angesiedelt. Plötzlich bemerken wir, daß wir nur noch zu zweit sind, der Vorjahressieger in der Jugendklasse hat sich nach hinten, zu senem Vorjahresführungspferd abgesetzt. Mit dieser älteren Dame bot er im letzten Jahr eine sehr ansprechende Leistung und wir fragen uns, ob wir uns nicht diesem erfahrenem Tandem anschließen sollen. Dann fassen wir aber doch den Beschluß zur Beibehaltung unseres "Tempos" und erreichen nach einer Stunde die 12 km Marke.

Ich danke Gott für mein rechtzeitiges Frühstück, denn ich fühle mich wohl und körperlich fit, meine Muskeln sind warm, so daß ich am Esslinger Jägerhaus die ersten Hüllen fallen lassen kann. Im Gegensatz zu meiner körperlichen Verfassung klagt mein Kumpel über Schmerzen im Sprunggelenk, was dann auch bei Kilometer 14 (1/3 der Strecke) zu einer Spaltung unserer LG (Läufergemeinschaft) führt.

Allein auf mich gestellt, packt mich der Ehrgeiz und als mir noch ein Streckenposten flüstert, daß nur 2 Rommelshäuser Spitzenläufer im Feld vor mir herumsprinten, ist es um meine gemächliche Läuferruhe geschehen. Der sonnenüberflutete Schurwald läßt mich nun kalt und die ersten gehenden Läufergruppen laden mich nicht mehr zum Verweilen ein. Streckenposten um Streckenposten lasse ich hinter mir, immer mit den neuesten Zwischenzeiten im Gehirn und etwas Flüssigkeit mit Salzbonbons im Magen.

Durch diese Rechnerei abgelenkt empfinde ich die Länge der Strecke gar nicht mehr so bedrückend und die noch zu laufenden Kilometer gewinnen durch die Möglichkeit des Zeitgewinns eher an Reiz, als daß ich davor zurückschrecke. So hüpfe ich von Läufer zu Läufer immer weiter in der langgezogenen Kette der Teilnehmer vor. Nach dem Wendepunkt in Baltmannsweiler treten die ersten ernsthaftigen Beschwerden auf: Blasen, schmerzende Muskeln, verkrampfte Oberarme, trockener Gaumen und nachlassende Willenskraft stellen das erste Tief auf dem zweiten Teil der Strecke dar. Dies wiederholt sich nun in immer kürzeren Abständen und immer größere Willenskraft ist nötig um meinen müden Körper weiterzuquälen.

Die Kilometermarken scheinen in Meilenabständen zu stehen und manch lustwandelndes Großmütterchen erkundigt sich mit Sorgenfalten im Gesicht nach meinem Körper- und Geisteszustand. Ein bierschlürfender (lechz) Dickwanst wettert über die unmenschlichen Trainer, die des schnöden Mammons willen halbe Kinder zu Leichen machen würden. Leider bin ich zu einer Erwiderung zu müde und außerdem will ich nur noch in mein Bett.

Am vorletzten Streckenposten versagen mir die Beine den Dienst, selbst die fortgeschrittene Zeit kann mich nicht mehr antreiben. Wie ich zum Rommelshäuser Harthau gekommen bin, weiß ich nicht mehr, aber die dortige Zwischenzeit macht mich auf einen Schlag wieder wach: 3.44 Stunden. Ungeahnte Kraftreserven machen sich auf den letzten 3 km bemerkbar und nach einem Endspurt bleiben die Uhren bei 3:56,35 Std. stehen; eine Stunde schneller wie vor 2 Jahren.
Ausgepumpt sitze ich auf dem Rasen und betrachte zufrieden und mit etwas Schadenfreude die eintreffenden Läufer. Wie wir 3 wieder zusammen sind, beschließen wir unseren Einsatz im nächsten Jahr, denn es ist für uns Bahnleichtathleten eine immer neue Herausforderung auch einmal einen Marathon durchzustehen und wir können es allen weiterempfehlen: versuchen auch Sie ihr "Glück".

Klaus Würthele

© Spvgg Rommelshausen 2008 ADMIN top